31 - Blut aus Eis und Wind

»Long Fei, gestattet ihr, dass ich mich vorstelle?«, spricht ihn ein Drache an.
Feilong sieht auf. Vor ihm steht ein ehrwürdig aussehender, alter Drache mit türkis-weißen Schuppen, die genauso aussehen, wie seine eigenen Schuppen.
»Mein Name ist Long Bing. Ihr seht derzeit so aus, als könntet ihr mein Nachfolger werden.«
Feilong ist beeindruckt und plötzlich ziemlich nervös. Er versucht, sich zu fassen.
»Seid gegrüßt, Long Bing. Ich habe erst gestern das Fliegen gelernt und weiß noch gar nicht viel über die anderen Drachen. Mein Vater hat mir erzählt, dass Long Bing ein Eisdrache ist.«
»Euer Vater ist ein weiser Mann.«
»Hey! Das habe ich gehört.«, ertönt es hinter Feilong.
Er dreht sich um. Sein Vater steht dort.
»Sei gegrüßt, Fenglong.«, nickt Long Bing ihm zu.
»Hallo, Opa. Wie geht es dir?«, fragt der Vater.
Feilong schaut die beiden an. Opa?
Long Bing blickt zu Fenglong.
»Willst du uns nicht offiziell vorstellen?«
»Äh – ja, natürlich.« Er dreht sich zu Feilong.
»Feilong, darf ich dir deinen Urgroßvater vorstellen: den Vater meiner Mutter, also deiner anderen Oma: Long Bing.«
Dann wendet er sich wieder an Long Bing.
»Opa, darf ich dir deinen Urenkel vorstellen: meinen Sohn, Feilong.«
Feilong sieht seinen Vater ernst und leicht verärgert an.
»Wir haben darüber gesprochen, dass ich vielleicht ein Eisdrache werden könne, ein Long Bing. Als ich die Vorstellung gut fand, hast du sie abgeschwächt, als wäre es unwahrscheinlich. Und du hast mit keinem Wort erwähnt, dass der Long Bing, der gerade vor mir steht, in direkter Linie mit mir verwandt ist. Wieso habe ich plötzlich das Gefühl, dass ich aufs Glatteis geführt wurde?«
Long Bing lacht leise.
»Weil du großes Potenzial hast, ein Eisdrache zu werden, junger Drache.«
Feilong kann nicht anders, er muss laut lachen.
Long Bing schaut jetzt den Vater an.
»Dein Sohn sieht aus wie ein Eisdrache, und du hast es noch nicht geschafft, ihm von mir zu erzählen?«
»Ja, okay, ich gebe es zu.«, gesteht der Vater.
»Ich hatte die Hoffnung, er würde ein Wasserdrache.«
Hinter Feilong erklingt schallendes Gelächter, gefolgt von der Stimme seiner Mutter:
»Oh, mein lieber Mann! Ich liebe dich mehr als alles andere auf der Welt; von Feilong abgesehen. Aber nachdem Feilong schon mit diesen türkisfarbenen und überwiegend hellen Schuppen aus dem Ei geschlüpft ist, war die Chance, dass er ein Wasserdrache wird, doch extrem gering. Für mich war immer klar, er geht in Richtung Wind und Eis.«
Feilong spürt, dass seine Mutter nun neben ihm steht. Er schaut zu ihr auf.
»Seid gegrüßt, Long Bing.«, sagt sie und nickt respektvoll.
»Oh, meine gute Long Hai. Sei gegrüßt. Ohne dich an seiner Seite wäre mein Enkel völlig verloren.«
»Das stimmt wohl.«, gibt der Vater zu.
Long Bing blickt vom Vater zur Mutter:
»Habt ihr etwas dagegen, wenn ich euren Sohn ein wenig entführe? Ich würde mich gerne etwas länger mit ihm unterhalten.« Er schaut zu Feilong.
»Natürlich nur, wenn du dich auch mit mir unterhalten möchtest.«
Feilong kann es sich nicht erklären, aber er verspürt schon die ganze Zeit den Wunsch, sich mit diesem Drachen, der ihm so ähnlich sieht, zurückzuziehen.
»Ganz im Gegenteil, ich folge ihnen sehr gerne.«
»Du bist mein Urenkel, also darfst du mich duzen und Uropa nennen.«
Die beiden suchen sich eine ruhige Ecke, in der sie ungestört sprechen können.
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