01 - Erwachsene können verwirrend sein

Es war einmal ein kleiner Drache. Er lebte mit seiner Mutter in einer Höhle hinter einem Wasserfall. Sein Name war Feilong. Seine Schuppen waren eine helle Mischung aus Türkis und Weiß. Einige Schuppen wirkten eher bläulich, andere grünlich, und wieder andere schimmerten ganz in Weiß.
»Guten Morgen, Feilong«, hört er seine Mutter sagen und schaut auf.
»Guten Morgen, Mama«, antwortet er.
Die Mutter schaut ihn ernst an: »Ich habe heute eine ganz besondere Überraschung für dich.«
Feilongs Begeisterung hält sich in Grenzen. »Schon wieder ein Buch? Ich bin des Lesens wirklich müde.«
Unbeirrt fährt die Mutter fort: »Wir machen heute einen Ausflug.«
Jetzt ist Feilongs Neugier geweckt: »Einen Ausflug? Was ist ein Ausflug?«
»Wir verlassen heute die Höhle, und du lernst fliegen.«
»Ich lerne fliegen?« Feilong streckt in voller Erwartung seine Flügel aus, und seine Schuppen beginnen zu leuchten.
»Nicht hier in der Höhle«, sagt die Mutter sanft, »sondern draußen, auf der anderen Seite des Wasserfalls.«
Feilong ist sprachlos. Er denkt laut: »Ich darf die Höhle verlassen?«
»Ja, mein Sohn. Du bist jetzt alt genug, dass wir deine Kinderstube verlassen.«
Feilong kann es immer noch nicht glauben: »Ich darf auf die andere Seite des Vorhangs?«
»Du darfst nicht nur – du sollst sogar«, antwortet die Mutter.
»Yippiee!« Feilong stürmt in Richtung des Höhlenausgangs.
»Nicht so schnell«, stoppt ihn seine Mutter. »Du solltest erst noch ...«
Das sanfte, stetige Geräusch des Wasserfalls hat sich verändert. Im selben Moment schiebt sich ein blau-grüner Drachenkopf durch den Vorhang.
»Hallo, meine Lieben! Seid ihr bereit?«
»Oma! Was machst du denn hier?«, ruft Feilong.
»Na, na«, scheltet ihn die Mutter, »begrüßt du so deine Oma? Lass sie doch erst einmal eintreten.«
»Oh«, Feilong fühlt sich beschämt. »Okay, sorry.«
Seine Oma betritt die Höhle. Sie sieht Feilongs Mutter recht ähnlich. Beide haben Schuppen, die überwiegend blau sind – blaugrün, blaugrau, aber auch blauweiß. Beide schimmern in Farben, als ob Meer und Himmel die Wolken berühren würden.
Die Oma schmunzelt kurz und sagt dann: »Ich habe Long Ziran mitgebracht, damit er gleich die Höhle verschließt.«
Feilong ist jetzt völlig verwirrt. »Wie? Was? Die Höhle verschließt?«, denkt er und beginnt, sich leicht zu fürchten.
Hinter der Oma betritt ein stattlicher Drache mit grün-grauen und grün-braunen Schuppen die Höhle. Feilong hat solche Farben noch nie an einem Drachen gesehen.
»Hallo und herzlich willkommen, Long Oma«, begrüßt die Mutter die Oma und nickt dabei leicht. »Seid gegrüßt, Long Ziran. Danke, dass ihr gekommen seid und uns unterstützt«, fährt sie fort und nickt freundlich in Richtung von Long Ziran.
Feilong steht immer noch sprachlos und verwirrt im Raum. Seine Mutter stupst ihn vorsichtig mit ihrem Flügel an.
»Äh ... ja ... oh! Hallo, Oma.« Auch er nickt dabei in ihre Richtung. Anschließend nickt er Long Ziran zu: »Seid gegrüßt, Long ... äh ... ähm ... ran.« Er hat den Namen vergessen.
Long Ziran schmunzelt und nickt ihm zu. »Ziran ist mein Name. Sei gegrüßt, Long Fei.«
Anschließend nickt er der Mutter zu: »Ich grüße euch, Long Hai. Es ist selbstverständlich, dass ich euch helfe. Wir wollen doch alle, dass uns diese Kinderstube hier erhalten bleibt.«
»Euer Enkelkind wird das nächste sein«, fügt die Oma hinzu.
Feilong ist jetzt völlig verwirrt. »Was redet ihr da?«
Die Oma schaut die Mutter ernst an. »Du hast es ihm noch nicht gesagt?«
»Ich war gerade dabei, als ihr ankamst«, sagt sie leicht beschämt.
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